Chronik der Feuerwehr Stöckheim 1866 bis heute
1891 - 1945
Doch der Dienst in der Feuerwehr erforderte von jeher auch einen großen persönlichen Einsatz und viel Idealismus. Schon vor 1900 fand pro Monat eine Versammlung statt. Übungen im Ort wurden vielfach um sechs Uhr morgens abgehalten, dazu kamen Bezirksübungen. Wer gegen die Disziplin verstieß, musste Strafgeld zahlen, welches nach der Satzung von 1912 nicht unter 50 Pfennige und nicht über drei Mark betrug. Oft findet die Feuerwehreiche in den Protokollen eine Erwähnung, für die Pflege wurde eine Entschädigung gezahlt. Leider wurde die Eiche im Krieg vernichtet. Aus Anlass des 90. Gründungsjubiläums wurde am 07. Juli 1956 eine neue Eiche am Dorfplatz gepflanzt.
Im Jahre 1912 erhielt die Stöckheimer Feuerwehr eine von der "Herzoglichen Kreisdirektion" genehmigte Satzung, von der heute noch ein Exemplar existiert. Darin wurde das "Wesen und die Stellung der Freiwilligen Feuerwehr" geregelt. Es gab zwei Organe: Die Generalversammlung, die aus sämtlichen Mitgliedern bestand und der Vorstand, der zugleich das Ehrengericht war. Das Ehrengericht entschied bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern und über Ordnungswidrigkeiten im Dienst.
Im Ersten Weltkrieg wurden zehn Stöckheimer Feuerwehrkameraden eingezogen, von denen sechs gefallen und zwei als vermisst gemeldet worden waren. Als Ersatz wurden Angehörige der Pflichtfeuerwehr herangezogen. Den Soldaten schickte man Päckchen. Der Branddirektor der Stadt Braunschweig, Fritz Lehmann, wurde damit beauftragt, in Belgien den zivilen und militärischen Brandschutz zu organisieren. Er ließ bei Büssing eine Großmotorspritze, ein Überlandfahrzeug, bauen, das im Heck eine Kreiselpumpe mit einer Förderleistung von 2000 l/min besaß und Schlauchhaspeln mit 800 Meter B-Druckschlauch und weiteren 400 Meter Druckschlauch mit sich führte. Es gelang, dieses Fahrzeug nach Kriegsende nach Braunschweig zu überführen. Dort wurde es auf der Hauptwache in der Münzstraße stationiert und rückte mit zwei Berufsfeuerwehrmännern besetzt bei jedem größeren Einsatz im Landkreis aus.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es keinen Bruch in der Stöckheimer Feuerwehr. Otto Heine löste zwar Herrmann Lambrecht am 11. September 1921 als Hauptmann ab, doch blieben Mitglieder und Strukturen im Wesentlichen erhalten. Im Inflationsjahr 1923 verzeichnete die Stöckheimer Feuerwehr eine Jahreseinnahme von 804.694,69 Mark, bei Ausgaben von 30.000 Mark, die der Bote erhielt. In der politisch bewegten Zeit der Weimarer Republik wurden dann keine Aufzeichnungen geführt, die Protokolle von 1924-1944 fehlen leider. Anfang der dreißiger Jahre wurden in Braunschweigs Umgebung die ersten Sirenen installiert und man begann auch mit der Motorisierung des ländlichen Raums. In den Jahren 1922 bis 1926 entwickelte die Feuerwehrgerätefabrik Julius Müller eigens die vierädrige Pferdezugmotorspritze „Typ Braunschweig“, die an zahlreiche Gemeinden des Landes Braunschweig verkauft wurde, so auch nach Stöckheim.
Von der Machtübernahme der Nationalsozialisten durch Regierungsbeteiligung in Braunschweig 1930 und durch Hitler 1933 im Reich blieb die Braunschweiger Feuerwehr zunächst unberührt. Im benachbarten Preußen wurde jedoch am 15. Dezember 1933 das Feuerlöschgesetz beschlossen, wonach die Feuerwehren eine "kommunale Polizeiexekutive" wurden. Sie bekamen eine neue, der Polizeiuniform angeglichene blaue Uniform. Die Braunschweiger Feuerwehren behielten zunächst ihre alten grauen Röcke und an der Spitze jeder Wehr stand nach wie vor ein Hauptmann.
Doch das sollte sich bald ändern. 1936 mussten die Feuerwehren nach Anweisung der Braunschweigischen Regierung nach preußischem Muster neu organisiert werden. Es gab neue Dienstgrade und Uniformen. Im Oktober wurden die Wehren über ihr “Verhalten in und außer Dienst“ belehrt, vor allem über die Grußpflicht. Anstelle eines Hauptmanns, führte die Wehr ein vom Landrat ernannter Wehrführer. In Stöckheim blieb Gustav Schrader an der Spitze der Wehr.
Am 23. November 1938 wurde schließlich das Gesetz über das Feuerlöschwesen (Reichsfeuerlöschgesetz) verkündet, welches Anfang 1939 in Kraft trat. Die Berufsfeuerwehr verlor ihre Eigenständigkeit wurde als Feuerschutzpolizei und somit zu einer Sparte der Polizei. Die Freiwilligen Wehren waren jetzt zwar Polizeihilfstruppen, konnten aber eine gewisse Eigenständigkeit bewahren.
Im Zweiten Weltkrieg hatte die Stöckheimer Wehr einen starken Aderlass zu verkraften, durch Einberufung entstandene Lücken mussten durch neue Mitglieder geschlossen werden. Mit Beginn des Luftkrieges durch die Alliierten über Braunschweig von 1943 an hatte die Stöckheimer Feuerwehr zahlreiche Einsätze auch im Stadtgebiet von Braunschweig.
Im Jahr 1940 wurden von der Warngruppe Braunschweig-Mitte schon 82
Luftalarme verzeichnet, 1941 waren es 38, 1942 nur 23. - Sollte Braunschweig etwa verschont bleiben?
Die Stadt stand jedoch als wichtiger Rüstungsstandort unter dem Decknamen SKATE weit oben auf der Liste der anzugreifenden Städte.
Aus einer Auflistung von 1943 ist die klägliche "Mannschaftsausrüstung" der Stöckheimer Feuerwehr für den Luftkrieg zu sehen. Es waren vorhanden: Drei blaue Uniformen, 32 graue Röcke, zwei schwarze Stiefelhosen, eine lange Hose, 32 Stahlhelme, 32 Schulterriemen, 33 blaue Mützen, 32 schmale Riemen, 29 Feuerhaken, 3 Seitengewehre (!), 24 Pfeifen, 40 Ausbildungsvorschriften, 50 schwarze Ausbildungshefte. Im Juni 1944 kamen dazu 32 Feldmützen, fünf Stahlhelme und 100 Armbinden. Im November 1944 wurde eine neue Motorspritze von Meyer-Hagen angeschafft, der Preis ist unbekannt. Auch wurden drei neue B-Schläuche mit einer Gesamtlänge von 74 Metern neu besorgt. Der Mitgliederbestand betrug am 01. Januar 1943 einschließlich einberufener Soldaten 32 Mann.
Stöckheims Lage im Dreieck der Städte Braunschweig, Watenstedt-Salzgitter und Wolfenbüttel war sehr ungünstig. Bei Luftangriffen auf den Süden Braunschweigs oder die nahen Reichswerke-Herrmann-Göring in Watenstedt-Salzgitter wurde es oft Opfer von Notabwürfen oder schlecht gezielten Bomben.
So wird von einem Einsatz am 14. Januar 1944 berichtet: "Beim Terrorangriff wurde die Wehr um 19.00 Uhr alarmiert, der Feind hatte im Südteil des Dorfes Spreng- und Brandbomben abgeworfen. Die Brandbomben, die nur auf dem Gelände verstreut lagen, wurden zum Teil gelöscht. Das Privatgrundstück der Firma Kühn wurde durch eine Sprengbombe, die etwa 15 Meter vom Grundstück fiel, vernichtet. Andersweitige Häuser wurden zum Teil schwer beschädigt. Die gesamte Feuerwehr wurde mit Bergungsarbeiten, sowie Ausbessern der schadhaften Dächer und Nachlöscharbeiten bis Sonntagabend 18.00 Uhr eingesetzt. An Arbeitsstunden sind 300 Stunden geleistet, an verstärkter Nachtwache 180 Stunden."
Es gab im Frühjahr 1944 noch eine Reihe von Einsätzen, vor allem im Stadtgebiet. Im Juni und Juli 1944 wurde es im Luftraum ruhig. Grund dafür war die alliierte Invasion in der Normandie, die am 6. Juni begann. Die britischen und amerikanischen Luftstreitkräfte waren dort zunächst gebunden, ohne jedoch ganz auf Angriffe im nordwestdeutschen Raum zu verzichten.
Bei einem weiteren Einsatz am 28. September 1944 wurde der Stöckheimer Friedhof in Mitleidenschaft gezogen, es sollte der letzte Einsatz vor dem Höhepunkt des Luftkrieges über Braunschweig sein. Der britische Luftmarschall Harris hatte beschlossen die Stadt endgültig “auszulöschen". 223 Lancaster-Bomber der Royal Air Force flogen die Stadt von Süden an und legten an jenem 15. Oktober 1944 ab 2.22 Uhr, mit der Zielmarkierung Burgplatz, einen Fächerangriff über die Innenstadt. 847 Tonnen Bomben wurden abgeworfen, darunter Sprengbomben schwersten Kalibers und Brandbomben verschiedenster Konstruktionen. Nachdem der Angriff um drei Uhr vorbei war und die Stadt einem riesigen Flammenmeer glich, alarmierte der Wehrführer Schrader die Kameraden. Auch der Bürgermeister war mit der Nachricht zur Stelle, dass alle Wehren sofort in Braunschweig erscheinen sollen. Um 03.20 Uhr rückte die Wehr aus, um 03.40 Uhr wurde ein Dachstuhlbrand in der Wolfenbütteler Straße Nr. 60 übernommen, danach ein weiteres Haus in der Büssingstraße. Nach einer Stunde war die Gefahr beseitigt und man konnte die Schläuche zum Büssingwerk legen. Bis 08.00 Uhr wurden mit vereinten Kräften zusammen mit der Werkfeuerwehr Büssing gelöscht. Doch die Hydranten der Umgebung versagten. So musste die Wehr bis zum Lessingplatz Schläuche legen. Nach längerer Zeit "schloß die Heininger Wehr an". Für ausreichenden Druck sorgte die Braunschweiger Kraftspritze. Zwei Kameraden, die bei einem Fischhändler in der Stobenstraße eingesetzt worden waren, bekamen als Dank Fleischsalat, der allen recht gut schmeckte. "Nur der Kamerad Heine traute dem Salat nicht." Um 20.00 Uhr konnte die Wehr bis auf zwei Kameraden, die abräumten, einrücken. Doch am folgenden Tag war ein erneuter Einsatz in der Kaiser-Wilhelm-Straße 35a (heute Jasperallee), dort hatte ein Haus wieder Feuer gefangen.
Die Braunschweiger Innenstadt war nach diesem Angriff zu 90% zerstört. Industrie- und Verkehrsanlagen fielen aus. Stadtrandteile und Vororte erlitten erhebliche Schäden, Stöckheim blieb dagegen weitgehend verschont.
Fliegeralarme gab es auch in den folgenden Monaten häufig, aber die Angriffe galten Watenstedt-Salzgitter, Hannover und Magdeburg. Im März 1945 flog die US Army Air Force nochmals Angriffe auf Braunschweig und zerstörte, was die Oktoberangriffe stehen gelassen hatten. Am 31. März 1945 fielen morgens um 9.00 Uhr zwei Bomben auf die Stöckheimer Kirche. Eine Bombe muss mitten in den alten Turm gefallen sein und ihn von innen herausgesprengt haben. Es blieben nur das stark beschädigte Kirchenschiff und die dicke Südmauer des Turmes erhalten.
Anfang April zogen deutsche Truppeneinheiten durch Stöckheim nach Osten weiter. Am Morgen des 12. April 1945 fuhren amerikanische Einheiten in ununterbrochener Folge von Rüningen kommend durch Stöckheim in Richtung Mascherode. Der Krieg war vorbei. Doch bis heute gibt es immer noch Bombenentschärfungen, bei denen auch die Feuerwehr im Einsatz ist.